Beda – das römische Bitburg

Ein Exzerpt von Karl-Heinz Lewin

H = Heimerl, Ferdinand (2021): Das römische Beda / Bitburg. Kaiserzeitlicher vicus, spätantike Befestigung und Bestattungen; Trierer Zeitschrift, Beiheft 39, 2 Bände (Text-/Katalogband), Rheinisches Landesmuseum Trier

T = H,T = H, Textband; K = H,K = H, Katalogband


Abb. 1 Lage der Fundstellen Tor A bis Gebäude Q, FS 14-17, FS 24-30. [H, T 18, Abb. 10]


Vicus Beda [H,T 19-59]

„Das römische Bitburg ist im Itinerarium Antonini (als Beda vicus) und auf der Tabula Peutineriana (als Beda) als erste Station im Abstand von 12 gallischen Leugen von Trier aus geführt. Eine Bauinschrift von 245 n. Chr. [CIL XIII 4131] bezeichnet die Einwohner als vikani bedenses, den iuniores vici Bauland übertragen haben. Die in einer Stiftungsinschrift [CIL XIII 4132] des Jahres 198 n. Chr. genannten curatores vici haben mit der Verwaltung von Stiftungsvermögen und der Ausrichtung jährlicher Festspiele administrative Aufgaben für öffentliche Belange und Kultbetrieb wahrgenommen.“ [T 47]

Münzen und Keramikstücke aus dem 1. Jh. wurden außerhalb der Befestigung im Norden an der Kölner Straße und im Süden an der Trierer Straße gefunden.


Anlässlich der Rathauserweiterung 1984 wurde die bisher einzige moderne Flächengrabung innerhalb der Befestigung durchgeführt. Daneben gibt es zwei Stellen, an denen frühere Grabungen stattgefunden hatten, sowie neun „begrenzte Aufschlüsse im Zuge von Kanalarbeiten“ [T 19]. Die Befunde der Ausgrabung von 1984 (Fundstelle 7, s. Abb. 1, vgl. Abb. 2) haben „die meiste Aussagekraft“ und werden deshalb in diesem Abschnitt zusammengefasst. Die Bezeichnung „Horizonte“ für die ergrabenen Straten übernehme ich aus der Dokumentation. Gezählt werden die Horizonte von unten nach oben.


Abb. 2 Vicuszeitliche Baubefunde im Bereich der spätantiken Befestigung. [H, T 19, Abb. 11]



Horizont 1 – Anstehender Boden, enthält neolithische und eisenzeitliche vorgeschichtliche Gefäßfragmente [T 20].

Horizont 2 – Pfostenlöcher, undatiert, frühester nachweisbarer Baubefund [T 20]. Vgl. Abb. 3.

Horizont 3 – „graugrünliche Lehmschicht mit etwas Holzkohle, Kalksteinen und Ziegelfragmenten“ sowie Keramikscherben ab dem mittleren 1. Jh. bis 2. Jh. [T 21]. (Datierung offenbar nach Keramikkatalog, hier wie im Folgenden, soweit dort nichts Anderes vermerkt.) Vgl. Abb. 3.

Horizont 4 – Siedlungsabfall des 2. Jh.

Horizont 5 – „rötlich-gräuliche[r] Lehm mit dünnen Holzkohlebändern“, die „als Reste von Fachwerkbauten mit Stampflehmböden interpretiert werden“, durchzogen von Kalksteinfundamenten mit Mauerresten; die Errichtung der Fachwerkbauten wird datiert nach den Funden in Horizont 4 ins späte 2. Jh.; dem Horizont zugeordnet werden zwei eingetiefte Keramiköfen mit „Fragmenten der Topfform Gellep 660 des frühen 2. Jhs. bis zur zweiten Hälfte des 3. Jhs. und der Tellerform Nb. 111 des 2. Jhs. bis zur ersten Hälfte des 4. Jhs.“, die wohl „Erzeugnisse aus dem Ofen selbst“ sind [T 21]. Vgl. Abb. 3.

Horizont 6 – „Lehmschicht mit Kalkmörtel, Ziegelfragmenten und vereinzelter Holzkohle“ überlagert die Abbruchkante des offensichtlich nach einem Brand niedergelegten Fachwerkhauses aus Horizont 5 und bleibt undatiert [T 22].

Horizont 7 – Steinbauten mit Raum 3 und Raum 4, die vermutlich zu zwei nebeneinander gebauten Streifenhäusern gehörten, Raum mit einem beheizbaren Einbau, möglicherweise einer Darre; Datierung erschlossen aus der Datierung von Horizont 5 ins späte 2. Jh. oder später [T 22]. Vgl. Abb. 3.


Abb. 3 FS 7 Horizonte 2, 3, 5, 7. [H, T 20, Abb. 12]


Horizont 8 – Abbruch und Planierung der Nordwestecke von Raum 4 aus Horizont 7, bräunliche Planierschicht, bleibt undatiert [T 22]; Fundmaterial ab der Mitte des 2. Jh., „vielleicht noch in das 3. Jh. zu datieren“ [T 23].

Horizont 9 – „Vergrößerung des Raumes 4 zu Raum 4a [...], der nun auch den bislang nicht ummauerten Hof umfasste“, bleibt undatiert [T 23]. Vgl. Abb. 4.

Horizont 10 – Anbau von Raum 2 mit starken Kalksteinmauern an der Westseite von Raum 4a, einem großen Wasserbecken (mindestens 1187 Liter) ohne Abfluss, Keramikfunde ab dem frühen 3. Jh. [T 23/24]. Vgl. Abb. 4.

Horizont 11 – nachträglicher Einbau eines Vorratskellers in der Nordwestecke von Raum 4a, mit einem Dielenboden aus Eichenholz, das dendrochronologisch „nach 208 n. Chr. geschlagen“ eingestuft wurde [T 25]. Vgl. Abb. 4.

Abb. 4 FS 7 Horizonte 9-11. [H, T 24, Abb. 14]


Horizont 12 – der an den Keller grenzende Estrich wird in seinem südwestlichen Randbereich beschädigt und an Stelle einer Reparatur durch eine bräunliche Planierschicht überdeckt, bleibt undatiert [T 26].


Abb. 5 FS 7 Horizonte 13-15. [H, T 26, Abb. 15]


Horizont 13 – der Dielenboden des Kellers wurde angekohlt und danach wurde der Keller mit einer Mischung aus Brandschutt aus anderen Bereichen und diversen Abfällen, Tierknochen, Münzen und Metallfragmenten, Keramikfragmenten und Mörtel- und Putzteilen verfüllt bis etwa ein Drittel der Höhe, dann bis zum Rand mit bräunlicher Erde aufgefüllt. „In der dünnen Schuttschicht vor dem Kellerabgang lagen zwei leicht abgenutzte Antoniniane mit t. p. q. von 270 [Münze 34; 19] sowie ein nach 272 geprägter Antoninian des Tetricus I. für Tetricus II. [Münze 52]“ und „zwei wenig abgegriffene Antoninian-Imitationen für Divus Claudius II. [Münze 29]“, in der Verfüllung des Kellers fand man einen weiteren, „abgenutzten Antoninian des Tetricus I. für Tetricus II. [Münze 51, t. p. q. 272]“ (in eckigen Klammern hier aus dem Original die Verweise auf den Katalogband; dort finden sich Abmessungen und Gewichte sowie die Angabe des Prägeorts, etwa „Gallien (Münzstätte I)“ für Münze 51 [K 236]); damit sei „eine Verfüllung des Kellers nach 272 gesichert, aber auch erst um 300 denkbar“. „Auf das späte 3. oder frühe 4. Jh. könnte allerdings eine Reibschüssel Drag. 45 mit horizontal ansetzendem Stellrand und sehr stark degeneriertem Löwenkopf hinweisen.“ „Außer dem Keller hat man auch den nicht mehr funktionstüchtigen beheizbaren Einbau in Raum 3 planiert. Aus den bräunlichen Auffüllschichten liegen Funde vor, die von der zweiten Hälfte des 3. Jhs. bis in das frühe 4. Jh. zu datieren sind.“ [alle Zitate: T 27]. An späterer Stelle vermutet Heimerl, dass im letzten Viertel des 3. oder zu Anfang des 4. Jh. die Häuserzeile im Bereich der späteren Befestigung westlich der Römerstraße abbrannte und „Brandschutt zusammen mit unverbranntem Abfall aus einem oder mehreren Häusern in den Keller geschüttet“ wurde [T 58]. Vgl. Abb. 5.

Horizont 14 – In die Kellerverfüllung wurde eine bis zu 60 cm tiefe Grube eingegraben, westlich daneben zur Wand hin eine 20 cm tiefe Mulde, und in der Südwestecke des Raumes 4a wurde mit ein paar trocken gesetzten Kalksteinmauern eine beheizbarer Einbau oder eine Heizvorrichtung geschaffen. Ein einziges „Fragment eines Glasbechers der Form Trier 52a gibt einen t. p. q. für den Bau im 4. Jh.“ [T 27]. In der Zusammenfassung der Ergebnisse nimmt Heimerl an, dass die Nutzung bis in die 340er Jahre hinein gegangen sein könnte [T 59]. Vgl. Abb. 5.

Horizont 15 – Grube und Mulde aus Horizont 14 wurden in mehreren Schichten wieder verfüllt – eine schwarze Erdfüllung mit Siedlungsabfall, eine grüne Lehmschicht „mit Kalksteinen, Ziegelfragmenten und Mörtelbrocken“, südlich der Kellermauer eine bräunliche Erdschicht mit Kalksteinen, Holzkohle und verlagertem älteren Siedlungsabfall. Abschließend wurde die oberste Lage planiert, aber nicht mehr belaufen oder sonst wie genutzt. Der Horizont bleibt undatiert [T 28]. Vgl. Abb. 5.

Man erkennt, dass die „Horizonte“ keine durchgängig übereinander liegenden Schichten sind; an dieser oder jener Stelle kann ein oberer Horizont einen oder mehrere darunter liegende Horizonte durchstoßen. Die Horizonte sind also abgrenzbare, als zeitlich aufeinander folgend identifizierbare Nutzungsschichten – im Buch daher auch als „Nutzungshorizonte“ bezeichnet.


Von den neun erwähnten „begrenzten Aufschlüssen“ sind fünf undatiert; vier Fundstellen enthielten Keramikreste, die grob ins 2. oder 3. Jh. datiert worden waren [T 28-30].

Von den beiden früheren Grabungen wird hier die eine kurz und die andere etwas näher behandelt:


Neben der Römerstraße nach Norden hin wurden 1955 die Reste eines annähernd quadratischen Gebäudes unbekannter Bauzeit ausgegraben, das die Bezeichnung „Q“ erhielt. Vermutlich diente es als Burgus. Seine Nordseite wurde später in die Festungsmauer einbezogen [T 30].


Am Südtor der Festung, das Tor „J“ genannt wird und von zwei Türmen flankiert war, fand man bereits 1889 eine Schichtung, die als Packlage der Römerstraße aus der Zeit des Vicus gedeutet wurde, die beim späteren Bau des Westturms von Tor J durchschlagen wurde, auf dem anstehenden Boden aufliegend zunächst eine ca. 25 cm mächtige Kalksteinstickung, darüber eine „verdichtete, sandige Kiespackung von max. 10 cm Stärke“. Heimerl verwundert sich, warum der Straßenkörper im Laufe der Nutzungszeit nicht diverse Aufschüttungen erfahren hat und dazu noch „direkt unter dem neuzeitlichen Straßenpflaster“ lag, und liefert doch gleich eine Erklärung: Im Bereich des Ostturms war kein Straßenrest mehr vorhanden. Aus den Höhenniveaus des mittelalterlichen östlichen Torturms wurde geschlossen, „dass das Gelände spätestens im 12./13. Jh. massiv abgetragen wurde“ (oder gar „vollständig ausgeraubt worden“ ist [T 71]), so dass nur die Reste der ersten Phase der Römerstraße im Bereich des Westturms übrig blieben [T 30/31].


Die Rathausgrabung erbrachte 138 Münzfunde, hauptsächlich Aes-Prägungen, in Silber nur 12 Antoniniane mit sehr geringem Silberanteil. Leider werden die Münzfunde hier nur summarisch abgehandelt [T 31-33], ebenso die Kleinfunde von Fibeln, Ringen und Nadeln [T 33-35], Beschläge und Pferdegeschirr [T 35], sog. Varia (unter diesem Begriff werden diverse Sachen wie Kästchenhenkel, Schlossbleche, Bruchstücke von Scharnieren u. a. zusammengefasst) [T 36-38], Glas [T 38], Gefäßkeramik [T 38/39] sowie Stein- und Baumaterial [T 39, 46/47]. Dazwischen befindet sich eine umfangreiche Tabelle der aufgefundenen Keramikreste, in der jedes Stück einem Typ zugeordnet ist und sehr sorgfältig nach einem Katalog datiert ist, zusammen mit der jeweiligen Katalognummer und einem oder mehreren Literaturverweisen, aber leider ohne Zuordnung zu Fundstelle und Horizont.


1889 fand man bei Kurtine B-C (einem Mauerabschnitt der späteren Befestigung) eine verschleppte Stiftungsinschrift aus dem Jahre 198 AD: „L(ucius) Ammia[nius] Gamburio hat zu Ehren des Kaiserhauses und des numen Augusti [des Willen oder der Macht des Kaisers (KHL)] einen Bühnenbereich und eine Ehrenloge erbaut sowie eine erhebliche Summe gestiftet, aus deren Zinsen die curatores vici die jährlichen Festspiele der floralia finanzieren sollten.“ [T 53] Diese und die Hälfte einer weiteren Stiftungsinschrift, die ins Jahr 253 AD datiert wird, belegen die Existenz eines Theaters, das jedoch noch nicht aufgefunden wurde.


Spätantike Befestigung [H,T 60-129]

Die Wände des Gebäudes Q müssen wohl als festungstauglich eingeschätzt worden sein, so dass man es in die Festungsmauern einbaute, und damit in Kauf nahm, dass die Festung auf einem Abhang zu liegen kam, dessen Mauerringfundamente auf der Westseite von Turm H wie auf der Ostseite von Turm N aus über jeweils 140 bis 150 m bis zum tiefsten Punkt unter Turm C um bis zu 6 m abfielen [T 64, 61]. Vgl. Abb. 6.


An der Westseite, bei den Türmen B, C, D, E, F und G und an den Kurtinen B-C, C-D, D-E, E-F und F-G wurde schwarze, asche- bzw. holzkohlehaltige Erde mit Ziegel- und Keramikbruch vorgefunden, also möglicherweise Schutt der oben erwähnten Brände. Ob nun die Baugruben diese Erdschicht durchschnitten, oder ob sie erst nach dem Bau der Fundamente an diese anplaniert wurden, ist häufig nicht eindeutig zu unterscheiden, an manchen Stellen wird eine Abgrabung vermutet, an anderen Stellen eine nachträgliche Auffüllung [T 64]. Vgl. Abb. 6.


Abb. 6 Plan der spätantiken Befestigung. [H, T 60, Abb. 22]


Auf Fundamenten aus einer Kalksteinstickung wurden die Türme und Kurtinen mit Mauern aus Kalksteinschalen und einem Kern aus Opus Caementitium, das in unregelmäßigen Abständen von 2 bis 10 cm dicken Mörtelschichten durchzogen war, errichtet [T 68].


Was die Bebauung innerhalb der Befestigung betrifft, konzentriere ich mich auf die Fundstelle 7 der Rathausgrabung oberhalb der Horizonte aus der Zeit des Vicus:


Horizont 16 – Innerhalb der Außenmauern des vorherigen Raumes 4a wird der nunmehr als „1“ nummerierte Raum mit einem Kalk-Kies-Estrich ausgestattet, der direkt auf die Planierungen des vorherigen Horizonts 15 gegossen wurde, und „kann nach „einer darin eingetretenen Münze nicht vor 340 angelegt worden sein“. Allerdings ist die von K.-J. Gilles sicher korrekt bestimmte Münze [Münze 652] derzeit nicht mehr auffindbar“ [T 74]. Nennwert, Prägeherr und Prägeort der Münze blieben unbestimmt [K 267], aber dennoch konnte die Münze datiert werden – beachtenswert! Zum Ausgleich wurden außerhalb der Nordmauer des Raumes „dünne, wohl zeitgleiche Estrichreste“ gefunden, und „in einer bräunlichen Schicht“ darunter befand sich „ein fast prägefrisches, 340-341 n. Chr. in Trier geprägtes Aes 4 des Constans [Münze 110]“ [T 74]. Durch eine ostwestliche Längsmauer mit zwei Türöffnungen wurde Raum 1 in zwei schmale Teilräume aufgeteilt. Die Mauer durchschneidet tief die vorangegangenen Horizonte bis auf Horizont 3 (mein Schluss aus dem im Katalogband dargestellten Profil 97 [K Beilage 83] in Verbindung mit den Beschreibungen der Horizonte des Vicus). Eine „Randscherbe einer Glasschale ähnlich der Form Trier 28“ zeigt „einen t. p. q. für den Mauerbau in der zweiten Hälfte des 4. Jh. oder später“ an [T 75]. Raum 2 wurde mit höher gelegtem Bodenniveau gleichzeitig zu Raum 1 genutzt. Vgl. Abb. 7.


Abb. 7 FS 7 Horizonte 16-17. [H, T 74, Abb. 24]


Horizont 17 – Drei Gruben und drei Pfostenlöcher wurden nachträglich in den Estrich von Raum 1 eingetieft. „Grube 1 war wannenförmig und ca. 40 cm tief“ [T 75] und mit schwarzbräunlicher, holzkohlehaltiger, lockerer Erde verfüllt, die Eisenfragmente, Glas- und Keramikbruchstücke, „Ziegelbruch, eine gelochte Schieferschindel, Tierknochen und die Schädelkalotte einer juvenilen Frau“ enthielt [ebd.]. „Die definitiv aus der Grube geborgenen Fragmente einer späten Variante der Topfform Alzei 27 sprechen für eine Verfüllung nach dem letzten Viertel des 4. Jhs. bzw. dem frühen 5. Jh.“ [ebd.]. Grube 2 war ebenfalls mit Erde und Abfall verfüllt, enthielt jedoch eine Münze, ein Aes 4 des Constantius II. oder Constans „[Münze 131, t. p. q. 341]“ [K 240; T 76] sowie Scherben der Typen „Alzei 34, 28, 29, 30/Gellep 109“ [T 76]. Vgl. Abb. 7.

Horizont 18 – „dark earth“, „eine schwarze, bis zu 20 cm dicke Schicht mit Holzkohle, wenig Ziegelsplitt, Kalkteilchen und Putzfragmenten, die flächig“ über dem letzten Estrich und den auf dessen Höhe abgebrochenen Mauern der Räume 1 und 3 lag, im Süden bis an die raumteilende Mauer „und im Norden bis an den Rand der Grabungsfläche reichte“. „Das Paket enthielt 82 Münzen, darunter 10 Prägungen des 1.-3. Jhs., 21 Münzen der ersten Hälfte des 4. Jhs., 23 Prägungen des mittleren 4. Jhs. und 26 valentinianische Münzen mit einem t. p. q. von 367 n. Chr. Außerdem fanden sich zahlreiche Fragmente von Eisen und Blei, Buntmetall, darunter zum Einschmelzen bestimmtes Altmaterial sowie eine amphoraförmge Riemenzunge und eine D-förmige Schnalle mit facettiertem Dorn aus der zweiten Hälfte des 4. Jhs. bzw. aus dem frühen 5. Jh.“; „rädchenverzierte Argonnensigillatafragmente und späte Ausprägungen rauwandiger Ware (Alzei 30/Gellep 108, Alzei 27-5 und Alzei 27-7 [sprechen] für eine Bildung der schwarzen Schicht um die Mitte des 5. Jhs. oder später“ [alle Zitate: T 78/79]. Vgl. Abb. 8.


Auch die spätantiken Münzfunde werden nicht nach Fundstellen, sondern nur summarisch abgehandelt. In drei Balkendiagrammen sind die Anzahlen der gefundenen Münzen nach Prägeperioden eingeteilt, wobei je ein Diagramm die Funde innerhalb der Befestigung, die Funde außerhalb der Befestigung sowie die Lesefunde getrennt darstellt. In allen drei Fundbereichen enden die Prägedaten mit dem Jahr 403 AD [T 80-81, Abb. 26-28]. Ein Vergleich der Funde in den Prägeperioden mit sieben anderen Fundorten im Rheinland [T 83, Abb. 31] führt zu dem Ergebnis, dass der spätantike Bitburger Münzindex „den Münzumlauf in Nordostgallien widerspiegelt“ [T 100/101].


Abb. 8 FS 7 Horizonte 18, 23. [H, T 79, Abb. 25]


Aus einem Unterschied der Fundmengen außerhalb (nur wenige Münzen von 348-354 AD, keine von 354-364 AD) und innerhalb der Befestigung (25 bzw. 15 Münzen aus diesen Prägeperioden) wird geschlossen, dass die Vicus-Bewohner sich in diesem Zeitraum wohl aus Sicherheitsgründen mehr hinter den Mauern aufgehalten haben könnten, womit ein Indiz vorläge, dass die Befestigung vor der Mitte des 4. Jh. („t. a. q.“) erbaut worden sei [T 101]. Hinweise werden auch in Argonnensigillata gesehen, deren Muster chronologisch dicht variierten. Es liegt eine Wandscherbe einer Schüssel aus dem Zeitraum 320/330-350/360 AD vor sowie 17 weitere Muster aus dem letzten Viertel des 4. Jh. oder später, während in der Rhein- und Moselzone diese Waren „ab dem zweiten Jahrzehnt des 4. Jhs. bis um 450/460 n. Chr. nachweisbar“ seien [T 101].


Nachrömische Zeit [H,T 137-143]

In nachrömischer Zeit wurden die Verblendungen der Außenmauern der Türme E, F und N und Teile der Verblendungen der Außenmauer von Turm P und der Außenmauern der Kurtinen B-C, E-F, F-G, J-K, K-L, N-O und O-P mit neuen Blendsteinen und grau-bräunlichem Kalk-Kies-Mörtel, der an der Außenseite des Turmes P mit Ziegelklein versetzt war, instandgesetzt, wobei die neuen Außenmauern teilweise in Schächten begonnen wurden, die durch die römischen Stickungsfundamente hindurch bis auf den gewachsenen Boden reichten. In den Türmen C und M wurden die in den oberen zwei Dritteln offensichtlich zerstörten runden Innenmauern durch gerade Quermauern ersetzt, die auf den römischen Caementicium-Kernen aufsetzten, so dass die Turmaufbauten D-förmige Querschnitte erhielten [T 137/138]. Vgl. Abb. 9.

Ebenfalls mit D-förmigem Querschnitt wurden die Tortürme des Südtors J neu errichtet, wofür beim Ostturm der Boden „bis unter das römische Niveau in den anstehenden Boden“ ausgeschachtet wurde [T 138], während unter und neben dem Westturm die römische Kalksteinstickung des Fundaments und Teile der Römerstraße erhalten blieben [T 71]. Vgl. Abb. 9.


Abb. 9 Plan der spätantiken Befestigung. [H, T 60, Abb. 22]


Fast alle diese Instandsetzungs- und Umbaumaßnahmen sind undatiert, lediglich der Ostturm des Südtors J wurde mittels einer Holzkohleprobe aus seinem Mörtel 14C-datiert ins späte 11. Jh., und die mit ihm im Verbund gearbeitete Verblendung der Kurtine J-K konnte folglich erst ab dieser Zeit oder danach errichtet worden sein. Es ist möglich, aber nicht erwiesen, dass der Westturm Teil desselben Torbaus aus dem späten 11. oder aus dem ersten Teil des 12. Jh. ist [T 71, 138/139].

„Schließlich war die spätrömische Bausubstanz mit Instandsetzungsmaßnahmen noch im Mittelalter und darüber hinaus fortifikatorisch nutzbar, sodass sie in die mittelalterliche Stadtmauer von 1340 integriert wurde.“ [T 144]


Auch die Fundstelle 7 der Rathausgrabung hat in dieser Zeit weitere Horizonte:

Horizont 19 – eine fundleere bräunliche Erdschicht, die zum Geländeausgleich auf die Dark Earth-Schicht von Horizont 18 aufgetragen wurde [T 140].

Horizont 20 – „Olivgrünlicher Lehm, vermischt mit kleinen Kieselsteinen und vereinzelten Ziegelfragmenten“ [K Beilage 31, Profile 36 und 37], „im Bereich des früheren Raumes 3“ und „verlagert“ [T 140]: „Die Schicht enthielt Keramik (u. a. Alzei 27-5, Alzei 29) des späten 4. und der ersten Hälfte des 5. Jhs.“ [ebd.], überdeckt aber einen Teil der Horizonte 19 und 18 und mit letzterem die Dark Earth-Schicht mit ihren Scherben vom Typ Gellep, der „ab dem späten 4. bis in das frühe 6. Jh. in Gebrauch war“ [ebd.]. Es handelt sich wohl um eine aufgetragene Planierschicht, die von einem anderen Platz stammt.

Horizont 21 – eine weitere Planierschicht nur im nordöstlichen Bereich des Raumes 3, eine „40 cm starke, brand- und feinschutthaltige, münzführende Schichtablagerung“. „Die jüngste der acht Münzen war ein kaum abgegriffenes, nach 383 in Lyon geprägtes Aes 2 des Magnus Maximus [Münze 210].“ [T 140]. In der Münzliste wird als Nominalwert „Aes 3“ genannt [K 244]. „Neben Metallfragmenten und Keramik des 4. und der ersten Hälfte des 5. Jhs. (Chenet 320, Alzei 27-5, Alzei 28-3) fanden sich mehrere Kugeltöpfe und Steinzeugkrüge des 11.-15. Jhs., die möglicherweise aber auch erst beim [späteren (KHL)] Bau der Zisterne verlagert wurden. [...] Vermutlich handelt es sich um hoch- bis spätmittelalterliche Siedlungsschichten mit verlagertem Altmaterial.“ [T 140]

Horizont 22 – „Bauhorizont der Zisterne 2“, „nur nördlich der Zisterne festgestellt“, „möglicherweise ein Lauf­horizont oder eine bauseitig benötigte Geländeanschüttung“ [T 140].

Horizont 23 – „Zisterne, Schacht, rezente Befunde“, „bildet den obern Abschluss der dokumentierten Strati­gra­fie. Die gekappte Stampflehmschicht bildete den Laufhorizont zu Zisterne 2 oder einer jüngeren Siedlungs­schicht und wurde modern gekappt. Die Zisterne war in die bislang diskutierte Stratigrafie eingegraben und wird aufgrund des Steinzeugs aus der Verfüllung zusammen mit weiteren Planierschichten und Gebäudefundamenten als mittelalterlich bis neuzeitlich angesprochen“ [T 140]. Vgl. Abb. 8 oben.


Ergebnis

Die Rathausgrabung von 1984 erbrachte an einer Fundstelle (FS 7) eine durchgehende Stratigrafie vom mittleren 1. Jh. AD über die Spätantike bis ins Mittelalter, die ich im Folgenden tabellarisch zusammenfasse. Die Schichten sind stratigrafisch sortiert, die älteste unten und die jüngste oben. Wenn das Feld unter der Überschrift „Datierung“ leer ist, ist die Schicht undatiert, weil sie keine datierbaren Objekte enthielt, ihr Alter wird dann begrenzt durch die jüngste datierte Schicht darunter und die älteste datierte Schicht darüber.


Schicht

Inhalt

Datierung

Datierungsobjekt / Bemerkung

Horizont 23

Zisterne und Stampflehmschicht

mittelalterlich

Steinzeug aus der Verfüllung

Horizont 22

Bauhorizont der Zisterne



Horizont 21

Planierschicht


von anderer Stelle verlagert

Horizont 20

Planierschicht


von anderer Stelle verlagert

Horizont 19

Planierschicht



Horizont 18

Dark Earth

nach 5./6. Jh.

Münzen und Keramiken

Horizont 17

verfüllte Gruben und Pfostenlöcher

nach 375

Scherben der Topfform Alzei 27

Horizont 16

Raum 1

nach 340/350

Aes 4 des Constans, Glasscherbe

Horizont 15

Gruben- und Muldenverfüllung



Horizont 14

Grube und Mulde, beheizbarer Einbau

4. Jh.

Glasscherbe der Form Trier 52a

Horizont 13

Kellerverfüllung

nach 272 oder später

2 Antoniniane des Tetricus I. für Tetricus II., Reibschüssel Drag. 45

Horizont 12

Planierschicht



Horizont 11

Keller mit Dielenboden

nach 208

Dendrochronologie der Dielen

Horizont 10

Anbau von Raum 2

frühes 3. Jh.

Keramikfunde

Horizont 9

Vergrößerung von Raum 4 zu Raum 4a



Horizont 8

Abbruch und Planierung

Mitte 2./3. Jh.

unspezifiziertes Fundmaterial

Horizont 7

Steinbauten Raum 3 und Raum 4



Horizont 6

Lehmschicht, vereinzelte Holzkohle



Horizont 5

Fachwerkgebäude und Öfen

2. / 3. Jh.

Scherben der Topfform Gellep 660

Horizont 4

Siedlungsabfall

2. Jh.

unspezifizierter Siedlungsabfall

Horizont 3

Lehmschicht mit etwas Holzkohle

ab Mitte 1. Jh.

unspezifizierte Keramik

Horizont 2

Pfostenlöcher



Horizont 1

anstehender Boden


Neolithikum- und Eisenzeit-Scherben


Die unspezifizierten Datierungsobjekte der unteren Horizonte 3 und 4 ergeben möglicherweise keine belastbare Datierung, aber mit den Scherben der Topfform Gellep 660 lässt sich Horizont 5 schon einigermaßen verlässlich – einem vermutlich teuren Keramikkatalog folgend – datieren, und der dendrochronologisch datierte Dielenboden in Horizont 11 gibt uns die endgültige Gewissheit, dass die darunter liegenden Schichten der kaiserlichen Antike entstammen.

(Ein denkbares spitzfindiges Argument, dass der Dielenboden des Kellers ja gar nicht „auf“ bzw. „über“ den darunter aufgeführten Schichten liege, verfängt hier nicht, denn ein nachträglich in Schichten unter dem aktuellen Laufhorizont (und dem oberen Beginn der Kellertreppe) eingegrabener Keller liegt stratigrafisch über den Schichten, die seitlich angrenzend unter dem Laufhorizont des Kellerzugangs liegen.)

Damit haben wir hier eine Stratigrafie, in der nachweislich auf die kaiserliche Antike das Gallische Sonderreich und danach die Spätantike der Konstantinischen Dynastie folgen. Den Abschluss bilden eine Dark Earth-Schicht und darüber ein zeitlich nicht näher bestimmtes (Hoch-)Mittelalter.


Ein Frühmittelalter existiert hier weder unter noch über der Dark Earth-Schicht. Mithin bestätigt diese Stratigrafie die seit Langem von mir vertretene Sicht, dass Antike und Spätantike wie traditionell gesehen aufeinander folgen, jedoch Spätantike und Frühmittelalter nur disjunkt auffindbar sind (also entweder das eine oder das andere) und damit zeitlich simultan (das eine hier, das andere dort). So deutet „Fundmaterial im Kobenhof [FS 9] auf Siedlungsaktivitäten im 6. bis 9. Jh. hin“ [T 141].


Karl-Heinz Lewin, Haar: k-h-lewin@t-online.de

Copyright © Karl-Heinz Lewin, 2022